Donnerstag, 19. November 2015
Es tut mir Leid.
Es tut mir Leid, dass ich nicht so bin, wie Sie mich gerne hätten.
Es tut mir Leid, dass ich nicht so bin, wie das System es verlangt.
"Ich kann für dich ja keine Ausnahme machen und deine müdliche Note nicht zählen", sagen Sie. Habe ich je darum gebeten? Was ich wollte war Gerechtigkeit und eine faire Chance. Was ich wollte war Respekt statt Zwang. Was ich wollte, war ein "Wir kriegen das schon hin" und kein "Kann ich ja auch nichts tun, wenn du nichts sagst".
Es tut mir Leid, dass ich mich nicht geändert habe. Trotz acht Jahre Gymnasium. Es tut mir Leid, dass Sie, liebe Lehrer, mir jedes Jahr die selbe Standpauke halten müssen, weil ich es ja schon wieder nicht geschafft habe, etwas zu verändern. Es tut mir Leid, wenn Sie sich mehr von mir erhofft haben.
Es tut mir Leid, dass ich mich nicht ändern kann. Nicht Ihretwegen, vor allem meinetwegen. Es tut mir Leid, dass alle Versuche fehlgeschlagen oder ignoriert wurden. Es tut mir Leid, wenn ich Ihnen nicht passe.
Introvertiertheit ist ein Makel. Nur nur so ein kleines, sondern ein bis-zu-70%-meiner-Note- Makel. Wie ein Auto, dass nur bei jedem vierten Versuch anspringt, oder eine Rettungsweste, die nur manchmal funktioniert. Introvertiertheit muss bestraft werden. Mit schlechten Noten. Mit schlechter Laune. Mit Gefühlslosigkeit. Es tut mir Leid, dass ich mich nicht ändern kann. Egal wie oft Sie mir sagen werden, ich soll mich beteiligen, es wird sich nichts ändern. Sparen Sie sich die Worte. Dass ist, als wenn Sie jemandem sagen, er soll Vektorenrechnen, der nicht weiß, was Vektoren sind. Dass ist so, als würde jemand einen Dialog auf einer ihm unbekannten Sprache halten sollen. Dass ist so, als verlangten Sie von einem Analphabeten einen gut strukturierten Aussatz zu schreiben.
Es tut mir Leid, dass ich das nicht kann. Das mit der Kommunikation. Es tut mir Leid, dass ich nicht aus dem Stehgreif mal was sagen kann. Es tut mir Leid, dass ich meistens nicht zu sagen habe. Es tut mir Leid, wenn ich nicht gern im Mittel- oder Vordergrund stehe.
Was ich gelernt habe in den letzten acht Jahren? Es gibt nur eine Sache, die zählt: Leistung. pure Leistung. Sie zumindestens achten heute nicht mehr auf soziale Verhaltensweisen. Auf individuelle Fortschritte. Gemessen wird am Klassendurchschnitt. Gut und schlecht. Gemessen wird an den Erwartungen der Lehrer. Ist Ihr Unterricht schlecht, sind unsere Noten schlecht und wir sind schuld. Ist Ihr Unterricht gut, unsere Noten schlecht, ist es auch unsere Schuld. Ist Ihr Unterricht gut und unsere Noten schlecht, ist es unsere Schuld. Ist Ihr Unterricht gut und unsere Noten auch, ist es Ihr Verdienst.
Wissen Sie, was passiert, wenn man immer zu schlecht ist? Wenn man sich stets bemüht, in die Reihen zu passen und doch hervorsticht? Wenn man stets sein Möglichstes tut, und es niemals reicht? Man gibt auf.
"Ist mir egal, dass ich ne Vier in Bio habe. Juckt mich auch nicht mehr.", sagte ich heute zu J., nachdem Sie mir meinen "Leidensstand" verkündet haben. Und J. zuckt mit den Schultern, vielleicht genervt, vielleicht gelangweilt, vielleicht verständnislos oder irritiert: "Was regst du dich dann auf, wenn es dir egal ist."
Glauben Sie nicht, dass mir irgendwas egal ist. Doch wenn ich sage, dass mir es ist, kann ich aufhören mich anzustrengen. Ob ich mich anstrenge oder nicht, ändert schlussendlich nichts, aber ich spare Ressourcen. Ich spare Kraft. Auf die Arbeit gelernt, sichert mir diese Note, dass ich keinen Fehlkurs habe. Und dann? Versagt. Nicht an Ihrem Ziel, oder an Ihrem Maßstab, aber an meinem. Und jetzt? Ist das halt so. Glauben Sie mir nicht, dass es egal ist. Aber ich kann es nicht ändern. Statt meine Kraft aufs versuchen-mich-zu-beteiligen zu verschwenden, benutze ich sie für lange, schlaflos heulende Nächte, für den Ärger und die Wut über das System und über mich. Darüber, dass keiner etwas merkt und mich mal in den Arm nimmt. Und darüber, dass Sie denken, Sie haben Ihren Job getan, wenn Sie mir ein paar Zahlen vor die Nase setzen.
Ich hab seit einer Stunde Schulschluss. Bin fast nicht nach Hause gekommen, Gegenwind, die Sicht verschwamm vor lauter Tränen. Mir ist eiskalt, mir ist schlecht, mein Körper zittert vor Erschöpfung. Meine Augen rot verquollen machen das ganze Gesicht hässlich. Ich meide das Licht. Ich meide Menschen.
Daran, wie es mir geht, sind Sie sicher nicht allein Schuld. Aber es ist das System, dass Sie befolgen, das mich in die Knie zwingt. Mittäterschaft.

[ach, und nur um das nochmal zu ergänzen: ZWEI MAL war ich in Bio da. ZWEI MAL und weil ich mich da nicht gemeldet habe, bin ich jetzt im Viererbereich. Logisch, oder? ]


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Mittwoch, 18. November 2015
Je mehr ich machen muss, desto weniger mach ich wirklich.
Anfangende ich-kann-nicht-mehr Stimmung, anhaltende Überforderung, motivationslosigkeit, Heulkrämpfe. Ich könnte auch gut darauf verzichten...


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Sonntag, 15. November 2015
Am Liebsten würde ich den Chemie Ordner in die Hand nehmen und sämtliche Blätter ausheften. Diese würde ich dann ordntlich aufeinander legen, um sie in der Mitte durchzureißen, zu Vierteln, bis nur noch kleine Stücke vor mir liegen. Ein Berg aus zerrissenem Wissen.

Ich würde gerne lernen. Echt. Aber ich kanns halt nicht. Lernen und Stress geht nicht mehr bei mir. Früher war das schnuppe, oder es ging unter Zeitdruck noch besser. Doch nun? Ich sitze vor Chemie, habe in drei Tagen zwei Zettel von neun gelernt und zwei Themenbereiche von ungefähr fünf.
Soll ich jetzt morgen in die Schule gehen und nach einer halben Stunde Chemie vor der Klausur sitzen, ratlos, alles wissende schon ausgefüllt. Aber trotzdem nicht abgeben wollen, zum einen, weil die Blue ja nicht früher abgeben kann, keine schlechten Noten schreibt. Zum anderen die Hoffnung, etwas aus den hintersten Gehirnwindungen hervorzukramen, von dem man weiß, dass es eigentlich gar nicht da ist. Oder bin ich morgen krank? Bringt es etwas, die Klausur nachzuschreiben? Es verschafft mir Zeit, aber hey: Ist ja nicht so, dass ich Vorabi schreiben muss. Dazwischen noch Chemie wird nicht besser. Mit der Klassenlehrerin reden? Die hab ich vor Chemie im Unterricht, und von meinen Problemen des letzten Schuljahrs weiß sie auch. Aber was kann sie machen; was erhoffe ich mir von einem Gespräch?

Chemie ist ein Lernfach. Zumindestens für mich, denn ich verstehe die Materie nicht. Wie ein Gedicht, wie Vokabeln muss ich die Stoffmenge auswendig lernen; ungünstig, wenn eben das -lernen- gerade nicht geht. Bei allen anderen Lernblockaden war das nicht weiter tragisch: Bio hab ich schon viel früher gelernt, da habn mir halt 1-2 Zettel gefehlt, die ich nicht mehr lernen konnte. Erde hab ich gar nicht gelernt, da kann man ja improvisieren. WiPo hab gelernt und halb gehofft, auch da hab ich frühzeitig angefangen.

Schon und gut, diese Evualution. Was hilft mir das jetzt für morgen? Nada.

EDIT vom 16.11.: Was für ein Glück hatte ich bitte heute, dass in der Klausur zu 90% genau die drei Zettel drankamen, die ich gelernt habe?? :o


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