Mittwoch, 3. Februar 2016
In der Grundschulklasse, da war ich irgendwie noch sozialer, hatte mehr Freunde. Mal abgesehen von meiner besten Freundin gab es noch meine zweitbeste Freundin J. J. war die einzige, mit der ich nach Hause laufen konnte nach der Schule, denn alle anderen wohnten nicht in meiner Richtung. Okay, eigentlich konnte ich mit J auch nicht richtig nach Hause laufen, denn sie wohnte zwei Minuten Fußweg von der Schule entfernt, und ich eindeutig entfernter, aber den Weg von der Schule zu ihrer Wohnung, den konnten wir gemeinsam gehen. Manchmal kam ich mit hoch in die Wohnung für ein paar Minuten oder wir trafen uns zum spielen. J hatte ein Barbieschloss- ob ich das damals toll fand oder nicht meinem Geschmack entsprach, weiß ich gar nicht mehr.
An anderen Tagen begleitete mich J ein wenig nach Hause- und hielt stets an dem Kiosk an, an dem wir zwangsläufig vorbeikamen. Sie wollte sich und mir immer Süßigkeiten kaufen, und ich wollte das nicht, denn es war ja immer ihr Geld, und J.s Familie war nicht die reichste. Aber nein sagen konnte ich auch nicht: Mein Gefühl sagte mir, dass J das sehr beleidigt hatte. Ich dachte immer, sie würde versuchen, sich so meine Freundschaft zu erkaufen, und dass das doch gar nicht nötig sei. J. sah das wohl anders. Wenn ich mit J. ein Stück nach Hause ging, war ich langsamer, schlenderte den Weg entlang, quatschte, lachte und brauchte sehr viel mehr Zeit auf dem Heimweg als sonst. Mama war wütend, wenn ich zu Hause ankam, denn die machte sich Sorgen.

So wie der Schulwechsel mich von den meisten meiner Klassenkameraden trennte, die ich nach dem letzten Grundschultag nie wieder sah, höchstens in facebook Posts, trennte es mich auch von J. Der Kontakt zur damaligen besten Freundin brach ab, und wie weit der Kontakt zu J bestehen blieb, kann ich nicht erinnern. Nur J und M, mit der ich kaum was zu tun hatte, gingen auf die gleiche Schule wie ich- und die drei Jungs, mit denen ich in einer Klasse landete. J und M waren in anderen Klassen- die beiden wählten Latein, ich Französisch.
Irgendwann, Jahre später sah ich einen Post auf facebook von J, die ich irgendwann mal geaddet habe. Der Post von J, den ich da sah, der war nicht Deutsch und da hörten meine Fremdsprachenkenntnisse auch auf. Arabisch, irgendso etwas. Ein deutscher Kommentar: "J, wann kommt ihr mal wieder nach Deutschland." Blöd, dachte ich damals nur. Warum verlässt man Deutschland, wenn man denn erst einmal hier ist? Das J. nicht deutscher Herkunft war, spielte für mich nie eine Rolle. Und da wir seit langem nicht mehr befreundet waren, zerbrach ich mir weder über den Grund ihrer Rückkehr den Kopf, noch über ihr Heimatland.

Vorgestern traf meine Mutter auf die Mutter von J. Denn die Familie meiner Grundschulfreundin ist wieder in Deutschland. Als Flüchtling übers Meer wie so viele andere im Schlauchboot. Ihr Heimatland ist Syrien.


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